Rinia e Kosovës
Diplomarbeit bei Prof. Michael Kerstgens, Hochschule Darmstadt, 2018
Zehn Jahre ist es her, seit der Kosovo –begleitet durch einen Krieg– seine Unabhängigkeit von Serbien erklärte. Korruption, Arbeitslosigkeit, ethnische Spannungen und eine desolate Wirtschaftslage prägen seitdem dieses kleine Land, dass nur von 116 UN-Mitgliedstaaten als eigenständiger Staat anerkannt wird.
Einen Aufschwung, den viele kosovarische Politiker prophezeiten, brachte die Souveränität aber nicht. Die Arbeitslosigkeit liegt bei über 35 Prozent, bei Jugendlichen bis 24 Jahren ist sogar jeder Zweite ohne Job. Ein Drittel der 1,8 Millionen Einwohner lebt unterhalb der Armutsgrenze. Das monatliche Durchschnittsnettogehalt beträgt rund 360 €. Der Kosovo, mehrheitlich muslimisch geprägt, ist nicht nur der jüngste Staat Europas, sondern auch der Staat mit der jüngsten Bevölkerung. Die Hälfte der Kosovaren ist jünger als dreißig Jahre. Grund dafür ist vor allem die hohe Geburtenrate vor und nach dem Krieg.
Pristina, die Hauptstadt des Kosovo, zählt gerade einmal ca. 210.000 Einwohner, ist dabei aber quirlig, laut und lebendig. In seinen Straßen tummeln sich junge Menschen mit zahlreichen Ideen und brennen darauf, die Welt zu verändern. Sie kleiden sich modern, essen Hamburger, trinken Bier und verbringen sehr viel Zeit gemeinsam draußen auf den Straßen und Plätzen. Viele sprechen Englisch und Deutsch, plaudern über Musik, Politik und Europa, und wünschen sich vor allem eine Visafreiheit für den Schengenraum.
Nur eine halbe Stunde fährt man mit dem Auto vom Zentrum Pristinas zum Flughafen Adem Jashari, vorbei an Plattenbauten, Autowerkstätten, Motels und unverputzten Ziegelsteinhäusern. Sie träumen davon, diese Strecke zu fahren, ihr Gepäck am Schalter abzugeben und in ein Flugzeug nach Deutschland oder Amerika zu steigen. Doch was für junge Menschen in Europa Normalität ist, bleibt ihnen verwehrt. Kosovo ist das einzige Land Europas, dessen Einwohner für die Länder des Schengen-Raums ein teures Visum brauchen.
Die jungen Erwachsenen haben viele kreative Ideen und sind motiviert sich für ihr eigenes Land zu engagieren, aber noch vor der Realisierung ersticken die meisten Ideen wegen fehlendem Geld und passenden Freiräumen. Ohne Arbeit und Aussicht auf ein Ende der Diskussion dieser Statusfrage, die den Fortschritt in allen Lebensbereichen zu behindern scheint, schwindet die Hoffnung und Motivation und verwandelt sich in Frustration.
Viele junge Menschen fühlen sich verloren in dieser aktuellen, politischen und sozialen Verflechtung ihres Staates und würden gerne das Land für eine bessere persönliche Zukunft verlassen, wenn sie nur könnten.
In meiner Arbeit geht es genau um diese jungen Menschen und deren Leben im Kosovo. Menschen in meinem Alter, die ähnlich fühlen wie ich und die gleichen Lebensziele haben, aber durch die Umstände im Land gezwungen sind, ein völlig anderes Leben zu führen, bei gleichzeitigem Träumen von einem Leben in einem politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich gesunden Staat mit seinen zahlreichen Wahlmöglichkeiten und Bewegungsfreiheit. Doch so scheinen sie auf der Stelle zu treten, irgendwo zwischen hoffnungsvollem Neubeginn und in weite Ferne gerückten Zielen.